Der Hase und die Frösche In grünem Lager träumt ein Hase. Gewiss, es träumt sich schön im Grase, Doch unsern Hasen quält es nur. Er lag betrübt, von Angst gehetzt, Und sinnend sagte er zuletzt: „Tiere, die furchtsam von Natur, Unselig sind sie, denn sie wissen In Ruh zu essen keinen Bissen. Nie reine Freude, ewige Hatz - So ist mein Leben. Bangigkeit Treibt fort und fort von Platz zu Platz, Dass nicht einmal der Schlaf gedeiht: Mit offnen Augen muss ich liegen.
›So ändre dich,‹ vielleicht ein Weiser zu mir spricht. Ja, lässt sich Furcht denn je besiegen? Ich glaub sogar mit Zuversicht, Dass selbst die Menschen so dem Fürchten unterliegen."
Also philosophierte unser Hase, Stets auf der Wacht mit Aug und Nase. Ein Hauch, ein Schatten lässt Gefahr ihn wittern, Ein Nichts macht ihn erzittern.
Das arme Tier, voll Qual Nachhängend diesen Dingen, Vernahm ein leis Geräusch; das war ihm ein Signal, Aus dem Versteck emporzuspringen, Zu flüchten bis zum Teich im Tal. Da! Frösche, die ins Wasser hüpfen, Frösche, die schnell in ihre Grotten schlüpfen! „Oh," sprach der Has, „ich richte hier Dasselbe an, was man bei mir Anrichtet. Meine Gegenwart Verursacht Schrecken gleicher Art, Verbreitet Aufruhr weit und breit. Wie kommt mir diese Tapferkeit? Man zittert, fege ich durchs Feld. So bin ich also doch ein Held!" Ich aber sag zum guten Ende, Was ihr wohl selber wisst: Kein Feigling, der nicht einen fände, Der nicht noch feiger ist!
Jean de la Fontaine (1621-1695) |