Autor: Dr. Bernd Lukasch - Otto-Lilienthal-MuseumWill man die Frage beantworten, zu welchem Zeitpunkt in der Geschichte der ernsthafte Flug eines Menschen möglich gewesen ist, sind die beiden oben (s. vorherige Wissenskarte)dargestellten Entwicklungen grundlegend. Lilienthals Durchbruch beruht auf seiner Methode, der vorsichtigen, schrittweisen Nachahmung des Gleitfluges der Vögel als erstem Ziel auf dem Wege zum Menschenflug. Dieses sichere, erlernbare Programm war seinen Vorgängern, aber auch den „beflügelten Dampfmaschinen" seiner Zeit, den fertigen Motorflugzeugenentwürfen ohne praktische Erprobungsmöglichkeit, weit überlegen. Werden Lilienthals Flüge gewöhnlich als Beginn des Menschenfluges nach dem Vorbild Vogel apostrophiert, besteht sein Erfolg aber gerade in der teilweisen Überwindung dieses Vorbildes. Lilienthal gelang es, sich von den hervorstechenden Eigenschaften des Vogelflügels, dem Flügelschlag und dem Federkleid zu lösen und im Laborversuch die verborgenen, aber entscheidenden Eigenschaften des Flügels zu ermitteln. Dieser Weg war aber erst auf der Grundlage der Physik des 18. Jahrhunderts mit entsprechender wissenschaftlicher Methodik möglich und stellt sich trotzdem als außergewöhnliche Leistung der Gesamtpersönlichkeit Lilienthals dar. Ein früherer, nicht überlieferter Erfolg auf diesem schwierigen Weg muss als kaum denkbar bezeichnet werden. Anders verhält es sich mit dem Prinzip des Hängegleiters. Der technisch verwandte Fesseldrachen wurde bereits vor Jahrtausenden verwendet. Die Verwandtschaft zum Fesseldrachen hat aber einen weiteren Aspekt. Die Möglichkeit zum Erforschen seiner Flugeigenschaften und Erlernen seiner Steuerung ist nicht nur im Selbstversuch möglich. Der Flug lässt sich gefesselt simulieren. |
Diese Technik wurde auch von den Lilienthals und Wrights angewendet (Ihre Fluggeräte wurden zwar auch Drachenflieger genannt, waren technisch aber eben doch deutlich anders aufgebaut). Die Wrights erschlossen mit diesem Ziel die „Outer Banks" vor der Küste von North Carolina, die ihnen als Gebiet mit gleichmäßigem starken Küstenwind genannt wurden. An der Steilküste von Hawaii starten heute Drachenflieger, in dem sie sich im Hangwind halten lassen und dann durch bloßes Loslassen (vergleichbar dem Kappen der Fesselschnur) fast senkrecht nach oben getragen werden. Ein dritter Aspekt ist die Verwandtschaft von Gleitschirm und Fallschirm. Das Problem der Flugstabilität, das auch Lilienthal letztlich das Leben kostete, und das den heutigen Grundaufbau des Flugzeuges im Detail bestimmt (V-Form der Flügel, Trimmung, Leitwerke etc.) tritt bei einem Hängegleiter, dessen Gewicht sehr tief liegt (oder an einer langen Schnur hängt) nicht auf.
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Ein Drachen, dessen Gewicht (der Pilot) tief unter dem Flügel hängt, wie beim Fallschirm oder Gleitschirm der Fall, ist in der Luft so stabil wie etwa die Samen der Pusteblume. Könnte es also doch eine vergessene Frühgeschichte des freien Menschenflugs gegeben haben? Gibt es doch eine vergessene Wahrheit hinter Ikarus, Wieland dem Schmied und der Alexandersage? Wir wissen es nicht. Aber es gibt gute Gründe für folgende Hypothese:Wenn es tatsächlich eine vergessene Vorgeschichte des Menschenflugs gibt, so gehen die prähistorischen Menschenflüge sicher auf das Prinzip des Hängegleiters, also "entfesselter" Drachen zurück, und nicht auf eine frühe Vorwegnahme der der Flugzeugentwicklung des 19. und 20. Jahrhunderts. |
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Quelle: Mit freundlicher Genehmigung und Unterstützung von: Otto-Lilienthal-Museum Autor: Dr. Bernd Lukasch www.lilienthal-museum.de Ellbogenstr. 1 D-17389 Anklam / Germany Tel.: 03971-245500 Foto 1 - 3: ww.pixelquelle.de Foto 4: www.lilienthal-museum.de |