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Datteln unter dem Bombenhagel

- Ein Augenzeuge berichtet -

Abb Der Pfarrer Friedrich Klümpen berichtet, wie er selbst die Bombenangriffe auf Datteln im 2. Weltkrieg miterlebt hat. Hier einige Auszüge aus seinem Bericht. Er schreibt:

„Obschon Datteln als Kanalknotenpunkt im letzten Krieg ein Richtpunkt für die Bomberflotte war, ... ... war Datteln bisher von einem größeren Bombenangriff verschont geblieben. ... Wohl waren in den letzten Kriegsjahren einzelne Bomben auf Dattelner Gebiet gefallen.

So entsinne ich mich noch genau, wie an einem Nachmittag eine Bombenkette auf die neuen Siedlungshäuser an der Kreuzstraße fiel, wobei es auch Tote gab. So war eine Briefträgerin auf ihrem Weg in die Häuser erschlagen worden. Ich selber habe ihre Leiche noch mit in ein Haus getragen.

Auch auf Ahsen haben Bomber, wahrscheinlich auf ihrem Flug nach Dortmund, ihre Todeslast an einem Abend abgeladen, als Soldaten, die in der Schule einquartiert waren, mit dem Licht nicht vorsichtig genug hantierten. Ich war zufällig dort, weil ich auch Pfarrkurat von Ahsen war. Es gab eine Reihe Toter, die in einem Massengrab beigesetzt wurden. Auch auf die Hagemer Siedlung fielen in einer Nacht eine Reihe Bomben. Aber es sollte noch schlimmer kommen. ...

Abb Weiter berichtet er:

„Ich entsinne mich auch noch genau, wie an einem Abend im Winter 1944/45, da alles durch die Verdunkelung in tiefste Finsternis eingetaucht war, das Summen eines einzelnen Flugzeuges zu hören war und dann plötzlich ganz Datteln wie mit einem grellen, gespenstischen Blitz ungewöhnlich hell erleuchtet war.

Ich hatte sofort die Vermutung, dass das Flugzeug über uns eine Luftaufnahme von Datteln und vor allem von der Zeche gemacht hatte.

Vielleicht 14 Tage später fielen auch schon die ersten Bomben, ausgerechnet unmittelbar hinter unserer Kaplanei, so dass das Haus wie bei einem Erdbeben durcheinander geschüttelt wurde und die Wände und Decken fingerbreite Risse bekamen.

Meine Schwester, die nicht wie wir bei Alarm in den Kirchturm ging, sondern in den abgestützten Keller unseres Hauses, wurde von ihrem Stuhl hochgehoben und mit ihrem Kopf gegen die Decke gestoßen. Von nun an verließ auch sie beim Alarm sofort das Haus und ging zum Krankenhaus hinüber in den dortigen Keller.

Einige Tage später kam der erste große Angriff auf Datteln aber fast alle Bomben fielen in die Felder von Hachhausen und Bockum, in die sie tiefe, breite Furchen hineinzogen ...

„Doch das sollte nun anders kommen ...

Als sich Pfarrer Friedrich Klümpen einige Tage später in der Nähe des Bunkers aufhielt, geschah folgendes:

„ Ich ging zuerst in das Haus von Familie Sieger, deren Bauernhof unmittelbar neben dem Bunker lag. Den erkrankten Enkel Willi hatte ich auf die Erstbeichte und Erstkommunion vorbereitet. Bei der Unterhaltung mit dem alten Herrn kommt akuter Alarm.

Akuter Alarm war schon so oft gegeben worden, man war es schon gewohnt. Dieses Mal trat aber eine eigenartige, unheimliche Stille ein, wie die Ruhe vor dem Sturm und wir sagten uns, dass es wohl besser sei, nun den Bunker aufzusuchen.

Wir waren noch nicht ganz durch die Schleuse, als auch schon die ersten Bomben fielen. Wir spürten an den Beinen deutlich den heftigen Luftzug. Ich ging weiter in das Innere des Bunkers - lautes Beten drang mir entgegen - und dann brach das Inferno los.

Ich hatte das Gefühl, dass die Bomben direkt auf den Bunker donnerten, was, wie später gesagt wurde, wohl nicht geschah. Aber es war ein solch mächtiges Tosen und Krachen über mir, dass ich wähnte, hundert Meter tief in der dunklen Erde zu stecken und darin für immer eingemauert zu sein, wohl mit das intensivste Erlebnis, das ich je in meinem Leben gehabt habe.

 

Abb Nach einigen Minuten trat wieder totale Ruhe ein, und es gab bald Entwarnung. Ich wagte mich nun wieder nach draußen und war entsetzt über den Anblick. Die Welt war wie verwandelt. Der Hof Sieger neben dem Bunker lag in Trümmern, die Luft war voll von dichtem Rauch und Qualm.

Ich eilte über die Hohe Straße zur Amanduskirche hin, voll banger Erwartung, was ich da wohl zu sehen bekäme. Die Straße war ganz von Schutt überzogen, über den ich immer wieder steigen musste. Einzelne kamen aus ihren Kellern gestürzt. Mit von Angst weit aufgerissenen Augen strebten sie zum Bunker hin.

Da wird wieder akuter Alarm gegeben. Aber die Neugierde hat mich so gepackt, dass ich mich nicht mehr umdrehte und zum Bunker zurücklief, sondern zur Kirche und auch zu meiner Kaplanei rannte. Die untere Hälfte des Kirchplatzes an der Heibeckstraße ist wie wegrasiert, der Kirchplatz liegt ganz offen da und ist mit meterhohem Schutt bedeckt.

Der Turmhelm der alten Kirche war der Länge nach zu Boden geschmettert, und die nackten Balken des Dachstuhls der großen Kirche zeigten das Knochengerüst des bis auf den Tod verwundeten Kirchbaus. (Einige Wochen später stürzte auch der Dachstuhl mit großem Getöse in das Trümmerfeld des Kirchinnern.)

Da ich aus dem Kirchplatz heraustrat, fällt mein Blick voll Spannung auf die Kaplanei, die total zerstört am Boden lag; die ganze Kaplanei, beide Wohnungen, auch die Wohnung von Herrn Kaplan Sauermann. Ein weißes Rauchwölkchen kräuselte aus dem Trümmerhaufen nach oben.

Abb Ein Stück der Seitenmauer war stehengeblieben, woran eine Speistonne lehnte, die für die Ausbesserungsarbeiten nach dem ersten Bombensturz hinter dem Haus diente.

Zwischen der Kaplanei und dem Krankenhaus gähnen mächtige Löcher. Das Krankenhaus selber sah aus wie ein gerupftes Huhn. Die Fenster waren wie leere Höhlen, keine Scheibe blinkte freundlich entgegen.

Allerdings war das Krankenhaus von keiner Bombe getroffen worden, und alle Insassen waren am Leben geblieben. Auch der große Kirchturm war verschont geblieben, die Verschieferung wies allerdings große Löcher auf.

Unsere Nachbarn wagten sich bei der Entwarnung heraus, der Schrecken stand noch in ihren Augen. Die Haare und Kleider waren vom weißen Staub bedeckt, aber man merkte es ihnen an, wie sie sich freuten, noch einmal davon gekommen zu sein.

Die alte Kirche, wie auch die Eingangsseite der neuen Kirche zur Heibeckstraße hin war weggerissen, ihre Trümmer häuften sich meterhoch. Angehörige der Familie Möcklinghoff waren in dem Keller ihres völlig zerstörten Hauses an dem Qualm und Rauch erstickt. Wo das Amandushaus stand, lag ein riesiger Schuttberg: Es waren unvergessliche Bilder des Grauens.

Das Pastorat am Südring war von keiner Bombe getroffen, aber es war auch keine Scheibe und kein Dachziegel ganz geblieben. Die Nacht verbrachten wir, meine Schwester und ich, in einer Baracke des Krankenhauses. Aber es war unmöglich, in einen tieferen Schlaf zu kommen, da alle halbe Stunden Bomben mit Zeitzünder in die Höhe gingen.

Als ich mich am anderen Morgen in den Keller meiner Wohnung vorarbeitete, musste ich feststellen, dass schon andere vor mir da gewesen waren und die Sachen, die wir dort vor Bomben sichergestellt hatten, bereits weggeschafft hatten. " ...

Das ist nur ein Teil seines Berichtes. Wenn du noch genauer nachlesen möchtest ... Du findest den vollständigen Bericht in der Festzeitschrift St. Amandus, Datteln, die zur Altarweihe am 22. September 1984 herausgegeben wurde.

 

Quelle: Kollegium der Gustav-Adolf-Schule in Zusammenarbeit mit dem Hermann-Grochtmann-Museum der Stadt Datteln

Literaturangaben...

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